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Die Heidchen-Kapelle in Rosbach

Text | Dorfgeschichten | 08.06.2024

Autor: Frieder Döring

1743 wurde die Alte Kapelle am Heidchen in Rosbach im Zuge der Gegenreformation gebaut. Vermutlich zur gleichen Zeit wurde daneben die Sommerlinde gepflanzt, die seitdem zehn Generationen Rosbacher überlebte und immer ein pittoreskes romantisches Bild mit Kapellenhaus und Kapelle bot.

Im August 2018 wurde sie wegen Pilzbefall und Gefahr des Umstürzens von der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises gefällt. Zum Glück war schon vor fünfzig Jahren zehn Meter davor am Beginn des Kapellenweges eine weitere Sommerlinde gepflanzt worden, die jetzt  ein stattlicher Baum ist, der mit seiner Bank darunter auch wieder zum Verweilen, Platznehmen und Plauschen willkommen heißt, wie eigentlich alle Linden das tun. Nicht nur weil sie zu jeder Jahreszeit schön anzusehen sind, sondern weil sie so wunderbar duften, besonders in der Blütezeit, und weil sie eine starke Heilkraft besitzen (Lindenblütentee, das ideale Heilmittel bei allen fieberhaften Erkrankungen), die sich auch durch das Einatmen der Düfte entfaltet! Die Linde war der heilige Baum der Göttin Freia, zuständig für Wohlbefinden, Geselligkeit und Schönheit.´

Die Heidchen-Kapelle mit Stumpf der alten Linde

Bild folgt in Kürze

Die Femegerichte oder Freistühle waren vom 10. bis zum 15. Jahrhundert in Westfalen verbreitet als die wichtigste juristische Instanz nach altem germanisch-sächsichen Recht. Sie wurden später unter den Habsburger Kaisern verboten und durch den Reichsgerichtshof in Frankfurt nach römischem Recht ersetzt, existierten aber noch lange im Geheimen weiter. Der Alte Stuhl bei Hurst (in der Merkatorkarte von 1575 „Horst“ gleich Adlernest) war wohl des südlichste Femegericht Westfalens. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war hier auch 1428 der Südtiroler Minnesänger Oswald von Wolkenstein als Kläger aufgetreten, was er in seinem Reiselied andeutet: „Von Wolkenstein wolt ich zu Cölen guter lawn“. Ursprünglich stand auf der höchsten Kuppe, wo heute ein Sendemast ragt, die Vollzugseiche, an der die Verurteilten unmittelbar nach dem Urteil aufgeknüpft oder enthauptet wurden. Eine nachgepflanzte Eiche hab ich in der Kindheit dort noch stehen sehen. Die Gerichtsverhandlung fand auf der jetzigen Drachenfliegerrampe statt, wie meist bei den Femegerichten wohl unter einer Linde. Man kann davon ausgehen, dass diese  prominente Bergkuppe auch schon in keltischer Zeit für Druiden-Rituale genutzt wurde. Sie steht in Sichtkontakt zu anderen Westerwälder Prominenzen wie dem Beuelskopf. Es wäre sehr zu wünschen, wenn hier auch noch mal eine geschützte Linde und Eiche zur Erinnerung an die historische Bedeutung dieses Ortes gepflanzt und wachsen gelassen würde.

Blick vom Alten Stuhl in den Westerwald

Das Waldkrankenhaus

Eigentlich ist dieses eindrucksvolle und wunderschöne Gründerzeit-Jugendstil-Bauwerk am Hurster Berg unterhalb der Hohen Ley, dem ehemaligen Femegericht „Alter Stuhl“, natürlich auch keine Burg und hieß ursprünglich „Auguste Viktoria Stift der Stadt Köln“. Dann bekam es noch die Titel „Waldkrankenhaus, Heilstätte, Zauberberg“ und wurde ganz früher auch „Mottenburg“ genannt. Dieser etwas abschätzig gemeinte Begriff kam im 19. Jahrhundert unter Medizinern auf, als die Tuberkulose in Deutschland sich während der Industrialisierung sehr verbreitete, die Lungen der Betroffenen im Röntgenbild wie von Motten zerfressen aussahen und überall im Lande Tuberkulose-Heilstätten auf Bergen in „guter Luft“ entstanden. So zum Beispiel auch die berühmte „Zauberberg“-Klinik in Davos, oder, früher ähnlich bekannt und eher für Begüterte, das 1892 gegründete Sanatorium Hohenhonnef im Siebengebirge. Mit der Auguste-Viktoria-Stiftung hatte die Kaiserin und Ehefrau Wilhelms II. aber im Sinne gehabt, den Ärmeren der TB-Kranken zu helfen und deshalb dieses in seiner Zeit absolut modern und technisch bestens ausgestattete Bauwerk bei Rosbach auf der Hardt zusammen mit einigen anderen im Reich errichten lassen. Am 13. November 1902 wurde die „Stadtcölnische Auguste-Viktoria-Stiftung“ zu Rosbach eröffnet und 100 Jahre später, am 30. April 2002 verließen die letzten Patienten das „Waldkrankenhaus der Stadt Köln“. Die Ziegel für den Bau des Gebäudes wurden von der Schladerner Ziegelei Schroeder und Jaeger geliefert. Die Kosten von ca. einer Million Reichsmark wurden in der Hauptsache durch LVA-Darlehen und durch private Spenden gestemmt. Die Kaiserin fungierte nur als Schirmherrin! Zu der Anlage gehörte noch die Villa des Ärztlichen Direktors und ein landwirtschaftlicher Betrieb zur teilweisen Selbstversorgung.

Vor der Entdeckung  wirksamer Tuberkulostatika waren die Liege- und Abhärtungskuren in diesen Lungenheilstätten die einzigen sinnvollen Therapien gegen die Tuberkulose, wie sie von Thomas Mann in seinem Zauberberg-Roman eindrucksvoll geschildert worden sind. Als in den 1950er und 1960er Jahren die medikamentöse Therapie aufkam und optimiert wurde, konnten die Liegekuren nach und nach aufgegeben werden. In die Heilstädte wurden von der Stadt Köln ab dann schwerkranke, oft krebskranke Patienten der ärmeren Stadtbevölkerung, vorwiegend Obdachlose, Gastarbeiter, Arbeitslose, in die Rosbacher Heilstätte geschickt. Aber auch viele Patienten aus Windeck und Umgebung nutzten die nach wie vor gut ausgestattete Klinik zu ambulanten oder stationären Behandlungen. 2002 kam dann das endgültige Aus für diese in den letzten 100 Jahren noch mehrfach erweiterte und modernisierte Anlage. Der Bauernhof war längst verkauft worden, die Chefarztvilla hatte der letzte ärztliche Direktor, Dr. Wilhelm Hartmann nach seiner Entlassung privat gekauft. Und für die Klinikgebäude gab es anfangs die Überlegung des LVA, dort eine Klinik für forensische Psychiatrie einzurichten, was an dem Widerstand der Windecker Bevölkerung scheiterte, dann wurde sie im Laufe der Jahre mehrfach als Filmkulisse genutzt. Schließlich bildete sich eine Gruppe von Investoren, die sich „Zauberberg“ nannte und die dort Eigentumswohnungen mit Gemeinschaftsräumen und mit naturbezogenem Gewerbe und Freiberuflerpraxen einrichten wollte, wofür kein brauchbarer Finanzplan zustande kam. Und deshalb steht der schöne Gebäudekomplex fast 20 Jahre später noch immer leer und wird von der Stadt Köln mühsam durch einen Hausmeister vor dem Verfall geschützt. Eine Dornröschenburg, die auf den Prinzenkuss wartet!