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Die Heinzelmännchen von Windeck

Text | Verschwundene Orte | 22.11.2023

Frieder Döring

Schon seit grauer Vorzeit, der sogenannten Eisenzeit, wurde im Siegerland und auch im Windecker Ländchen oberirdisch in Pingen Eisenerz abgebaut, in Rennöfen verhüttet und zu Werkzeugen und Waffen geschmiedet.

Aber erst im mittleren Mittelalter hatte man alle Techniken entwickelt, um auch tief in die Erde einzudringen mit Schächten und Stollen, und für die dabei notwendige Wasserkunst, um das ständig hinein fließende Wasser abzupumpen und ablaufen lassen zu können. Die mechanischen Schaltanlagen zur Kontrolle und Regulierung der Pumpen nannte man Heinze. Die Männer die sie ständig bedienen mussten, waren die Heinzelmänner. Und da diese wegen der niedrigen Stollen ausgesucht kleine Männer oder meist sogar Kinder waren, hieß man sie auch die Heinzelmännchen. Und die hatten, wie alle in der Grube Tätigen bei der Arbeit und auch außerhalb, statt der heutigen Schutzhelme, immer spitze Filzhüte auf, damit sie sich nicht den Kopf verletzten an den niedrigen Felsdecken. Und die trugen die Kinder vor allem auch im Winter als Zipfelmützen.

Diese meist 6 – 10jährigen Kinder wurden in den Eisengruben, wie in der Grube Silberhardt in Windeck-Öttershagen überall da eingesetzt, wo es zu eng und zu niedrig wurde für erwachsene Männer, also nicht nur an den Heinzen, sondern auch als Hauer beim Steine- und Erzhauen. Im Mittelalter und zum Teil bis ins 19. Jahrhundert war es selbstverständlich, dass Kinder ab 6 Jahren überall zur Arbeit eingesetzt wurden. In der Landwirtschaft sowieso und hier in Windeck auch in den vielen Steinbrüchen und eben in den Erzgruben Silberhardt, Eisenberg, Prosa, Zwischenfeld und Jucht. Es wurden zwar in der Zeit des Mittelalters pro Familie meist 10 – 12 Kinder geboren, aber davon starb im Durchschnitt die Hälfte schon im Kindesalter an Krankheiten oder auch an Unfällen bei der schweren und gefährlichen Arbeit, die sie leisten mussten.

Wenn eine Familie aber tatsächlich mehr als vier bis fünf Kinder über das 6. Lebensjahr hinaus großziehen musste, dann konnte sie diese nach dem 10. Lebensjahr, wenn die Pubertät begann und der Appetit stieg, oft nicht mehr ausreichend ernähren. Und meist wurden diese größeren Kinder dann auch noch aus den Erzgruben entlassen, weil sie dafür nicht mehr klein genug waren. So blieb den Eltern oft nichts anderes übrig, als sie entweder als Knechte und Mägde an Großbauern oder als Haus- und Haushaltshilfen nach Köln in die Patrizierhäuser zu verkaufen. Und dort mussten sie meist nachts arbeiten und tagsüber in dunklen Kellerschlupfwinkeln verswinden, weil man der Öffentlichkeit diese unansehnlichen kleinen Sklaven nicht zeigen mochte. Und man nannte dort die Zipfelmützenkinder dann nicht mehr die Heinzelmännchen von Windeck sondern die Heinzelmännchen von Köln.