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Von der Ziegelei Schroeder-Jaeger bis zur Renault-Werkstatt Schroeder

Text | Dorfgeschichten | 01.01.1900

von Helmut Schroeder und Anja Salz 

Der Architekt Eduard Schroeder (1835 – 1910) betrieb in Hagen-Haspe ein Baugeschäft. Er lernte beruflich Herrn Jaeger kennen, der eine Baufirma in Köln besaß, fusionierte mit ihm und zog nach Köln. In den 1880er Jahren bekamen sie von der Firma Elmore‘s, die sich in Schladern ansiedelte, den Auftrag für mehrere Industrieschornsteine.


Nachdem Eduard Schroeder feststellte, dass sich in Schladern geeigneter Lehm befand, kaufte er 1889 das ganze Land um den Lehmberg herum der dort ansässigen Familie Schneider ab und errichtete in wenigen Jahren eine Musterziegelei mit modernster Dampfmaschine der Firma Henschel und Schornstein, in der erst im Feldbrand, später in Ringöfen Ziegelsteine gebrannt wurden. Diese wurden beim Bau der Firma Elmore‘s und vielen Gebäuden in Schladern und Umgebung eingesetzt; z.B. für die eigene Villa Schroeder, dem Auguste-Viktoria-Stift in Rosbach, der Post in Schladern, den Poppels-Häusern, den Elmore‘s-Villen, den Schulgebäuden, usw. Das dafür beauftragte Bauunternehmen war meist die Firma Franz Poppel aus Schladern, die sich auch später der Baupläne von Eduard Schroeder bediente. 

Eduard hatte mit seiner ersten Frau, Helene Lisette, die früh verstarb, sieben Kinder (Alma, Lydia, Johanna, Else, Ewald, Paul, Lisette-Marie) und mit der zweiten Frau Bernhardine fünf Kinder (Max, Hedwig, Willy, Walter, Fritz). 


Bernhardine Schroeder, geb. Bor (Französin)


 Helene Lisette, geb. Suberg, und Eduard. Sie starb 1892 im Alter von 52 Jahren. 

Eduard mit Willi

Nach dem Bau der Villa Schroeder „Zum Sprietchen 21“ zog Eduard mit Familie dorthin, während Geschäftspartner Jaeger in Köln blieb. 


Nach Eduards Tod 1910 übernahm der Sohn Ewald, der schon ein Baugeschäft in Köln leitete, auch die Leitung der Ziegelei in Schladern. 1914 kurz vor dem Ersten Weltkrieg, war Ewald mit der Ziegelei am Ende. Sie musste versteigert werden. Dabei ersteigerte Franz Poppel die besten Teile. Als erstes die Henschel-Dampfmaschine, die er an die „Gewerkschaft Held 3“ in den Westert-Steinbrüchen weiterverkaufte. Mit dem Gewinn konnte er weitere Teile kaufen, um sie alle wieder an andere Unternehmer zu veräußern. 

Witwe Bernhardine mit zwei Töchtern und den Söhnen Walter, Fritz und Willi

Es war eine schwere Zeit für Eduards Witwe Bernhardine. Die Söhne Walter und Fritz fuhren mit der Bahn ins Walzwerk Wissen zur Arbeit. Fritz wechselte dann zu Elmore‘s und heiratete Erna. Sie bekamen den Sohn Eberhard. Um die Familie zu unterhalten, vermietete Bernhardine die Remise der Villa an den Elektriker Werner Sander als Werkstatt, in der der Sohn Willi seine Lehre antrat. Der heiratete später Lina (geb. Müller) aus Gierzhagen. Da diese Ehe kinderlos blieb, übergab er später sein eigenes Elektrogeschäft seinem Neffen Eberhard, der bei ihm gelernt hatte. Die unverheiratete Tochter Hedwig versorgte den Haushalt mit und pflegte die Mutter bis zu ihrem Tod 1938. 

Eine spannende Biografie hat Eduards Tochter Alma. 

Geboren 1873, heiratete sie den österreichischen Chemiker Carl Wander. Er bekam er eine gute Stellung als Chemiker bei der Firma IG-Farben mit Sitz in Iwanowo-Wosnesensk/Russland. Alma reiste ihm später alleine von Moskau aus nach. Ihr Ziel lag 300 Kilometer von Moskau entfernt. Sie hatte keinerlei russische Sprachkenntnisse und verständigte sich mit Händen, Füßen, bewaffnet mit einem Wörterbuch, um Einkäufe zu tätigen. Sie erzählte später noch zur Belustigung aller, dass sie einmal auf dem Markt übers Ohr gehauen worden war. Man hatte ihr eine Gans verkauft, die in Wasser getränkt eingefroren worden war und ein enormes Gewicht hatte. Nach dem Auftauen war die schwere Gans nur noch ein kleiner Flattermann. 


Alma und ihr erster Mann Carl Wander

Sie erlebten 1905 die Russische Revolution im Zarenreich mit. Tochter Wera wurde dann im September 1910 dort geboren. Carl Wander starb unverhofft an einem Hirnschlag 1914 in Russland. 

Da sich die deutschen Fabrikbesitzer untereinander alle kannten, lernte Alma den Ingenieur Carl Schweissguth kennen. Er besaß eine Maschinenbaufabrik zur Herstellung von Zuckerraffinerien. Durch die Revolution und den Ersten Weltkrieg wurden alle Fabrikbesitzer enteignet. Alma, Wera und Carl Schweissguth flohen quer durch Russland nach Deutschland. Carl heiratete Alma anschließend an der Ostsee in Arnsbög. Eine Weile später zogen sie nach Köln-Longerich in eine kleine Wohnung. In Köln gründete Carl eine Lohndrescherei. Als Köln im Zweiten Weltkrieg zerbombt wurde, flohen sie in die Remise der Villa in Schladern. Weil das Elmore’s-Werk unter englischer Leitung war, blieb Schladern von den Angriffen weitgehend verschont. Carl Schweissguth beherrschte die russische Sprache perfekt, da blieb es nicht aus, dass sein Stiefenkel Helmut vom Kleinkindalter an die Sprache von ihm erlernte. Sie hatten beide Spaß, sich untereinander zu verständigen, ohne dass andere sie verstanden. 


Helmut mit Stiefopa Carl Schweissguth

Alma mit den Enkeln Lotte und Helmut und an ihrem 100. Geburtstag. 

Alma hatte mit 90 Jahren zweimal einen Oberschenkelhalsbruch. Beim ersten Mal heilte es mit Gewichten und Ruhephase gut zusammen. Anschließend brach sie sich auch die andere Seite und dieser Heilungsprozess war nicht mehr so erfolgreich. Sie konnte ihren Haushalt danach nicht mehr alleine führen und zog von der Remise in die Villa zu Wera und Walter. 


Alma war sehr belesen, und als sie mit 96 Jahren den Kölner-Stadtanzeiger nicht mehr lesen konnte, ließ sie sich von einem japanischen Augenarzt aus Godesberg an der Linse operieren. Weil sie „dem Braten“ nicht traute, ließ sie sich erst das schlechte Auge operieren. Nachdem dies erfolgreich heilte, traute sie sich auch das andere Auge operativ behandeln zu lassen. 


Alma Schweissguth war Schladerns älteste Bürgerin, sie wurde 101 Jahre alt und starb 1974. Foto: Friedhofsverein Schladern 

Walter, der Vater von Helmut Schroeder, verlegte seine Tätigkeit Anfang der 1930er Jahre auf Landmaschinen- und Trecker-Reparaturen, zeitweise zusammen mit der Firma Krause, Industrieofenbau, die auch im Lehmberg ansässig geworden war. Er heiratete Wera Wander, Almas Tochter. Mit ihr hatte Walter die Tochter Lotte und den Sohn Helmut, mit dem er 1963 die RenaultWerkstatt gründete. Helmut heiratete Elke aus Rom bei Lichtenberg und hat mit ihr den Sohn Harald – der inzwischen die Werkstatt leitet und Vater eines Sohnes Henrik ist – und die Tochter Anja Salz mit vier Töchtern (Annalena, Marie, Sophie, Paula). Die Anfänge der Renault-Werkstatt schildert Helmut Schroeder so: Durch seine Erfahrungen im Trecker-Handel konnte Walter Schroeder nach dem Zweiten Weltkrieg an seine Firmenverbindungen anknüpfen. Walter und Sohn Helmut begaben sich 1950 nach Frankfurt und ließen sich von der Firma Allgeier als Vertreter für die neuen Porsche-Trecker anwerben. 1952 arbeitete Helmut als Jugendlicher dort auf einem Lehrgang und konnte danach auch beim Vater voll in Werkstatt und Verkauf mithelfen. Sie bauten zusammen unterhalb der Villa eine Werkstatt auf und reparierten neben Treckern und Landmaschinen auch Autos aller Fabrikate, vorwiegend Volkswagen. 

Die Werkstatt unterhalb der Villa. Alle Fotos: Helmut Schroeder 

1956 übernahm Porsche die Firma Allgeier ganz, musste den Trecker-Vertrieb aber 1963 aufgeben. Den Ersatzteildienst für Porsche-Trecker sicherte sich die Firma Renault, die dann auch an Walter und Helmut herantrat, um ihnen die Vertragswerkstatt, zunächst für Trecker, dann auch für Renault-PKW‘s und -LKW‘s anzubieten. Sie starteten mit dem legendären R4. 

Ende 1970 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Walter und seinem Sohn, sodass Helmut sich an der Bahnstrasse in Schladern eine neue Werkstatt zusammen mit seiner Frau aufbaute. Diese behielt er als Lager bei, als er 1975 schon das Gelände der alten Ziegelei samt Kupferschmiede Fuhrmann zurückkaufte und zur jetzigen Renault-Werkstatt ausbaute. Vom Sohn Harald geleitet hat der Betrieb zurzeit 15 Mitarbeiter, ist weitbekannt, und das Gelände der ehemaligen Ziegelei ist wieder im Familienbesitz. 

Das Leben in der Villa Schroeder nach dem Zweiten Weltkrieg und in den 1950er Jahren: Unter dem Turmzimmer befand sich eine kleine Küche. Auf gleicher Etage lebte Hedwig, die auch den Haushalt für Bernhardine versorgte. In den zwei Etagen darunter hatte Fritz mit Familie verstreute Räume. In der zweiten Etage war Schneider Moritz mit Familie als Mieter (in der späteren Küche von Wera und Walter und Schlafraum von Alma) untergebracht und zeitweilig noch eine Familie Demmer zur Miete (im späteren Wohnzimmer von Wera und Walter). Im Parterre lebten Willi und Lina. Neben der Villa hatte Willi seine Elektriker-Werkstatt und in einem ausgebauten Wohnbereich dahinter lebten das Ehepaar Schweissguth sowie Walter und Wera mit den Kindern Lotte und Helmut. Zeitweise wohnten also sieben Parteien nebeneinander in der Villa. Carl Schweissguth starb im Alter von 86 Jahren im Oktober 1953 in Schladern


Fotos: Helmut Schroeder


Zum Sprietchen 21Schladern