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Die Feuerteufel

Text | Dorfgeschichten | 01.03.1953

Die Feuerteufel

von Frieder Döring

An einem schönen trockenen Märztag, das muss so um 1953 gewesen sein, hatten sie die Idee, etwas Nützliches zu tun.

Sie, das war der harte Kern der Oberdorfbande: Ada, Peter, Klaus, Jochen und Frieder. Damals war es üblich, dass die Bauern im Frühjahr die nicht gemähten Wiesen mit dem trockenen Wintergras abflämmten, also kontrolliert abbrannten, um sie zu düngen. Nun war Opa Pickhardts Paradiesgarten oben am Friedhof schon lange nicht genutzt, also auch nicht gemäht worden. Das trockene Gras stand dort über einen Meter hoch. Und sie waren sicher, ein gutes Werk zu tun, wenn sie das Gelände wie gestandene Landwirte ebenfalls abflämmen würden.

So zogen sie an dem schönen Märznachmittag mit geklauten Streichhölzern bewaffnet fröhlich zum Paradies hoch. Das Tor war damals immer offen. Sie stellten sich am unteren Wiesenrand in Reihe auf, jeder zündete ein Bündel Trockengras mit einem Streichholz an und warf es in die Graswand vor ihm. Was sie nicht registriert hatten, war der kräftige Westwind an dem Tag. Der blies in die aufzischenden Flammen und entfachte in Sekunden eine Feuerwand vor ihnen, die meterhoch anstieg und mit gewaltigem Geprassel und enormer Geschwindigkeit den Hang hinauf raste. Sie hatten jegliche Kontrolle über das Geschehen verloren und machten fast in die Hosen vor Angst.

Das Feuer schoss auf das Gartenhäuschen zu, sie sahen es fast in Rauch aufgehen. Aber schon waren die Flammen daran vorbeigerast, die Holzwände hatten keine Zeit gehabt, Feuer zu fangen. Doch jetzt raste die Flammenwand weiter nach oben auf den Straßenzaun zu. Hinter der schmalen Straße zum Sportplatz lag der Friedhofswald, und dessen große Bäume ragten mit ihren Ästen weit über Straße und Zaun in die brennende Wiese hinein. Es war höchstens eine Minute vergangen seit dem Zünden des ersten Streichholzes. Sie, die Feuerteufel, standen immer noch völlig verdattert am Ausgangsort und mussten mit Tränen in den Augen zusehen, wie die Äste der Waldbäume nun Feuer fingen. Eine komplette Katastrophe!

Jetzt erhoben sich aber ringsum von den Feldern und aus den Gärten in der Nachbarschaft laute Stimmen und Rufe. Das riesige prasselnde Feuer war natürlich nicht unbemerkt geblieben, da es damals selbstverständlich war, dass an jedem schönen Frühlingstag viele Menschen draußen arbeiteten. Und diese hatten die Feuergefahr für den Wald sofort erkannt und rannten mit Schaufeln, Gabeln, Äxten bewaffnet zu Hilfe. Die ersten Zweige brannten schon lichterloh, doch es waren genug Helfer da, die die Flammen niederschlagen, die brennenden Äste abhacken und die Feuernester im Laub austreten konnten. Nach zehn bangen Minuten war das Feuerwerk beendet. Nun löste sich auch die Schockstarre der fünf Schuldigen und sie rannten hoch, um ihren guten Willen zu zeigen und auch noch beim Löschen zu helfen.

Die Gartenwiese war abgebrannt und schwarz, der Waldrand angekokelt und die Oberdorfbande stand ebenfalls schwarz verfärbt mit gesenkten Köpfen am Gartentor, umringt von ziemlich schwarzen und entschlossen aussehenden Männern. Es fiel kein unnötiges Wort, als sich jeder der vorderen Männer jeweils einen Feuerteufel packte, ihn übers Knie legte und ihm gründlich den Hintern versohlte. Dann wurden alle zur Säuberungsaktion nach Hause geschickt mit schönen Grüßen an die Eltern, sie hätten ihre Strafe schon erhalten. Und das war‘s! Keine Polizei, keine Versicherungsmeldungen, kein Nachkarten zu Hause. Die Strafe war der Untat auf dem Fuß gefolgt, die Sache war abgeschlossen. Nie waren sie für Prügel so dankbar gewesen, wie damals, als sie die Feuerteufel waren.

 


7 Taubenweg