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Die Mineure

Text | Personen | 01.07.1953

Die Mineure

von Frieder Döring

Das waren spannende Jahre, als wir uns in den frühen Fünfzigern in den Nutscheidwäldern rund um Burg und Schloss Windeck, das Ostern 1945 von der amerikanischen Artillerie in Brand geschossen worden war, herumtrieben und nach Beute suchten.

Kriegsbeute vor allem: Waffen, Munition, Uniformteile, und davon reichlich. Die drei Kanonenrohre aus dem Dreißigjährigen Krieg, die an der Südwand der Schlossruine hingen, schleppten sie nicht ab, die waren zu schwer. Mit den anderen Beutestücken spielten sie Krieg, natürlich. Alle Arten von Kriegen: Ritterschlachten, Dreißigjährigen Krieg, Indianerkriege, Kolonialkriege, Weltkriege. Meist die Oberdorfbande gegen die Unterdorfbande. Die Waffen konnten sie natürlich nicht mit nach Hause nehmen. Die wurden in ihren Baumhäusern und Erdbunkern oder Höhlen gelagert, wo sie auch ihre rituellen Sitzungen veranstalteten, bei denen die ersten Zigaretten geraucht und das erste Bier getrunken wurde.

Als sie etwas älter wurden, waren die Kriegsspiele unattraktiv geworden und die Abenteuer der Technik und Wissenschaft wichtiger. Ich hatte schon Vorübungen gemacht mit meinem Chemiebaukasten, den mir die Eltern zum zehnten Geburtstag geschenkt hatten, wusste, wie man sich Schießpulver und Raketentreibstoff selbst herstellen konnte und hatte in dem Schladerner Drogisten Seidel einen wunderbaren Helfer gefunden, der mir für meine Experimente alle nötigen Chemikalien für ein paar Groschen besorgte und darüber die Klappe hielt. Da waren dann auch reines Quecksilber, Natrium, Kalium, gelber Phosphor, rauchende Salpetersäure, konzentrierte Schwefelsäure und ähnliche schöne Sachen dabei.

Aber das fertige Schießpulver aus den Patronen unserer Kriegsbeute war doch viel brisanter als das selbst gebastelte. Also spannten wir, das waren meine Mitschüler Klaus und Albert mit mir, die Fundstücke in einen Schraubstock, schlugen ihnen mit dem Hammer die Geschosse ab, und schütteten die Pulverplättchen in vorher einseitig plattgeklopfte Kupferrohre aus dem Elmores-Abfall, legten, wenn sie voll waren, in das andere Ende eine selbst gebastelte Zündschnur aus mit Unkraut-Ex getränkter Kordel, oder selbst hergestellter Schießbaumwolle. Dann wurde das obere Ende auch platt gehauen, fertig war die Bombe und ab ging‘s in den Steinbruch.

Einer der unbekannteren Brüche war der Poppel-Steinbruch am Otterstein zwischen Schladern und Dreisel, den wir uns ausgesucht hatten, weil er so abgelegen war damals. Wir radelten mit unseren Rohrbomben dorthin und schoben erst mal die kleinste in einen Felsspalt. Die Zündschnur wurde in Brand gesetzt, und wir rannten schleunigst zu einer dicken Tanne in 15 Metern Entfernung. Unterwegs knallte es heftig, und unser Bombenrohr schoss an uns vorbei in den Baum. Wir guckten uns um. Der Felsen war unbeschädigt, unsere Bombe war nur wie eine Rakete herausgeflogen. Nun schoben wir die übrigen zwei Sprengsätze zusammen in einen Felsspalt, hämmerten sie tief fest, drehten die Zündschnüre zusammen und blockierten die Öffnung des Spaltes mit Steinen, bevor wir sie zündeten. Jetzt starteten wir im Sprint und waren schon weit über den Zielbaum hinaus, als es heftig knallte und blitzte und es um uns herum Steine regnete. Der Albert bekam einen Streifschuss an der Backe ab und ich einen an der Wade, der Klaus blieb heil, und wir lachten nur drüber. Die Klamotten waren zum Glück unbeschädigt, denn das hätte Ärger bedeutet zu Hause.

Im Felsen hatte sich ein riesiges Loch aufgetan, wir waren mit dem Ergebnis unserer Arbeit sehr zufrieden und feierten den Erfolg natürlich zünftig mit einer Flasche Bier.

 


Schönecker Straße