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Familien stehen vor dem Nichts

Zeitungsartikel | Betriebe | 15.10.1988

Nach dem Aus für „kabelmetal“ macht sich in der Belegschaft Unlust breit

Familien stehen vor dem Nichts

Kaum Chancen auf Ersatzarbeitsplätze – Kartellamt konnte Schließung nicht verhindern

AUFMARSCH ZUM BEGRÄBNIS: Den Auftritt des Kabelmetall-Vorstandes, der mit der Hiobsbotschaft zur Belegschaftsversammlung kam, werden die 320 Mitarbeiter des Kupferrohrwerkes in Schladern so schnell nicht vergessen.

Windeck-Schladern (rö) – Am Tag, nach dem die Schließung des Schladerner Zweigbetriebes der Kabel- und Metallwerke Gutehoffnungshütte AG (KMS) offiziell verkündet worden war, machte sich Unlust an den Produktionsstätten im Kupferrohrwerk breit. „Warum soll ich auf die letzten Tage noch meine Gesundheit auf’s Spiel setzen,“ war mehrfach zu hören. Die ohnmächtige Wut und die Empörung vom Vortag waren dumpfer Resignation und Hilflosigkeit gewichen.

Viele Familien stehen bald vor dem Nichts. Viele der insgesamt 302 Arbeitnehmer und 18 Auszubildenden kommen aus ein- und derselben Familie. Aus einigen Familien arbeiten sogar nicht nur die Ehepartner, sondern auch noch Kinder bei „kabelmetal“. Von einer Familie aus dem Raum Leuscheid/Weyerbusch zum Beispiel sind Vater und Mutter, die beiden Söhne und auch die Schwiegertochter bei KMS beschäftigt.

Auch Staplerfahrer Eduard Schmidt (54) aus Dattenfeld, der seit 31 Jahren in dem Schladerner Betrieb arbeitet, ist nicht mehr der einzige KMS-Arbeitnehmer in seiner Familie: Seine Frau ist an einer Rohrkontrolle beschäftigt, sein Schwiegersohn arbeitet an einer Maschine.

Viele der von der Schließung betroffenen Arbeitnehmer haben zudem einen derartigen Schock schon einmal mitmachen müssen: Sie waren früher bei Industriefirmen in der Nähe beschäftigt, die ebenfalls dicht machten oder im Konkurs zusammenbrachen, wie Stahlbau-Hermes oder Krages in Etzbach.

Vor allem für die älteren Arbeitnehmer zeichnet sich keine Chance auf einen Ersatzarbeitsplatz ab. Das Durchschnittsalter der KMS-Belegschaft beträgt 41 Jahre, 40 Beschäftigte sind über 55 Jahre alt. Nach der Schließung des Werkes wird die Arbeitslosenquote im Bereich Eitorf/Windeck, die zur Zeit bei 8,5 Prozent liegt, vermutlich auf eine Rate zwischen elf und 15 Prozent hochschnellen. Da schrillen nicht nur beim Windecker Gemeinderat und in der Verwaltung, sondern auch beim Leiter des Eitorfer Arbeitsamts-Nebenstelle. Ernst Floer, die Alarmglocken.

Wie Betriebsratsvorsitzender Paul Cornely gestern bestätigte, findet am Montag eine Sitzung mit den Vertrauensleuten statt. Am Dienstag will dann der „kabelmetal“-Vorstand Vertreter der Verwaltung und des Rates sowie andere Gremien im Hotel „Bergischer Hof“ informieren.

DIE EXISTENZGRUNDLAGE vieler Familien wird vernichtet, klagten die Betriebsratsmitglieder Steinhauf und Cornely (rechts), links Leßmann und Produktionsleiter Bestgen.

Keine Möglichkeiten sieht man zur Zeit in der Gemeindeverwaltung, in irgendeiner Form Alternativen für die bald arbeitslosen Menschen aufzuzeigen. Als ein Grundproblem bezeichnete es der Gemeindedirektor Peter Stadermann, daß ein Großteil der Belegschaft zwar erstklassige Arbeit geleistet habe, aber als ungelernte Arbeiter über keine erstklassige Ausbildung verfüge.

Stadermann es außerdem als blanken Zynismus ein, daß der Konzern bisher in Schladern Beschäftigten Arbeitsplätze in Menden anbiete, wo dann gleichzeitig weniger qualifizierte Leute freigesetzt würden. Auf Anfrage betonte gestern der Pressesprecher des Bundeskartellamtes in Berlin, Hubertus Schön, für seine Behörde habe es keine Möglichkeit gegeben, das Aus für den Schladerner Betrieb zu verhindern. Das Gesetzt sehe lediglich eine Prüfung des Kartellamtes darüber vor, ob durch einen Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung entstehe oder verstärkt werde.

Die Arbeitsplätze spielten dabei, so traurig dies auch sei, keine Rolle.

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger Nr. 242/ST14 vom 15./16. Oktober 1988

Alle Bilder: Harald Röhrig

 


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