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Teufelsbrei

Text | Dorfgeschichten, Personen | 01.07.1950

Teufelsbrei

von Frieder Döring

Unser Papa hatte immer wieder interessante Einfälle für seine Söhne. Als wir noch zu klein waren, um ihm bei seinen Do-it-yourself-Tätigkeiten an Haus und Garten zu assistieren, er aber von der Mutter den Auftrag hatte, uns im Sommer am Wochenende draußen zu beschäftigen, wollte er gerne das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden und selbst ungestört seine selbst gestellten Handwerksaufgaben erledigen und uns gleichzeitig so gründlich bespaßen, dass wir ihn nicht störten. Das gelang ihm mit dem folgenden Trick: in einer abgelegenen Ecke des Gartens, in die weder die neugierigen Nachbarn hineinspähen konnten, noch seine Frau sich hin verirrte, grub er uns eine Grube im Rasen aus von etwa einem Kubikmeter Inhalt. Die füllte er mit dem Wasserschlauch ungefähr halbvoll, gab wieder einige Schaufeln Erde dazu und rührte das ganze mehrfach um, bis sich eine gleichmäßige braune Suppe ergab.

Dann wies er seine Söhne an, sich nackt auszuziehen, die Klamotten ordentlich an die Seite zu legen und dann in diesen Teufelsbrei, wie er die Matsche nannte, ohne Hemmungen hinein zu springen, was wir uns nicht zweimal sagen ließen.

Er warf uns noch unsere Sandkastenspielsachen, Eimerchen, Schaufeln, Förmchen hinterher und hatte fortan Ruhe von uns ansonsten recht lebhaften Knaben, die wir nach etwa zwei Stunden intensiven Spiels wie die Jungs aus dem Struwwelpeter, die ins Tintenfass gesteckt worden waren, vor ihm standen. Meist war er dann mit seinem eigenen Projekt auch fertig geworden, spritzte uns mit dem Wasserschlauch wieder komplett sauber, ließ uns trocknen und wieder anziehen, schaufelte das Teufelsbrei-Loch zu, um es bei nächster Gelegenheit erneut zu verwenden und marschierte mit uns sauberen und zufriedenen Jungs im Gänsemarsch zu Muttis Kaffeetafel. Die wunderte sich jedes Mal, wie friedlich der Nachmittag verlaufen war und wie perfekt ihr Mann mit der Kinderbetreuung klar kam. Die eigentlichen Hintergründe dieser schönen Sommernachmittage hat sie erst sehr viel später erfahren.

Natürlich haben wir die Teufelsbrei-Methode später mit unseren eigenen Kindern und auch den Enkeln öfter wiederholt, vorwiegend in Opa Pickhardts Paradiesgarten, wenn wir dort Urlaub machten. Dabei konnten wir feststellen, dass entgegen unseren eigenen Überzeugungen, die Jungens immer jubelnd mitmachten, die Mädchen aber nicht so leicht für dieses Spiel zu begeistern waren. Auf diese und ähnliche Weise brachten uns die Kinder und Enkel öfter bei, dass es sehr wohl erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern gab, obwohl es die nach unserer Theorie doch gar nicht geben durfte!

 


Falkenweg 3