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Vom Fischen

Text | Dorfgeschichten, Weltkriege | 01.07.1945

Vom Fischen

von Frieder Döring

Nahrungsbeschaffung war eine der Hauptbeschäftigungen von Erwachsenen und Kindern vor allem in den Jahren 1945 bis 1955. Und wir Kinder waren soweit wie möglich miteingespannt in den Beschaffungsprozess.

Sei es beim Ernten im Gemüsegarten, beim Kartoffeln hacken, sei es beim Obstpflücken, beim Waldbeerensammeln oder Pilze suchen, oder auch im Frühjahr beim Schneiden junger Brennnesseltriebe oder dem waschkörbeweise an den Straßenrändern gerupften Scharbockskraut, das wir als Salat oder Gemüse sehr gerne aßen. Neben diesen offiziellen Nahrungsquellen gab es noch ein paar inoffizielle, und dazu gehörte für uns Jungens das Fischen. Das fand mit zwei unterschiedlichen Methoden statt. Beide waren mühsam zu erlernen, aber dann, wenn man sie beherrschte, sehr ertragreich.

Bei der ersten begab man sich in der wärmeren Jahreszeit zu zweit oder dritt in der Mittagszeit mit nackten Beinen in einen der nahegelegenen Bäche wie der Westert oder dem Mittelbach, suchte sich überhängende Ufer möglichst in den ruhigen Zonen der träge fließenden Bachkurvaturen und griff dann ganz langsam mit beiden Händen unter Wasser hinter die Böschung bis man den Bauch einer dort im Mittagsschlaf befindlichen Forelle ertastete. Dann musste man mit beiden Händen die Falle zuschnappen lassen, und die so erwischte Forelle sofort hoch aufs Ufer schleudern. Waidmännisch wurde sie sodann mit einem Stock erschlagen und wenn jeder von uns dann seinen Fang getätigt hatte, wurde ufernah ein Feuerchen angezündet. Eine kleine Pfanne hatten wir zu diesen Fischzügen immer dabei, etwas Margarine und Salz ebenfalls aus der Küche stibitzt. Die Fische wurden ausgenommen, die Margarine in der Pfanne ausgelassen und die Forellen bäuchlings darin gebraten. Zwei bis drei Minuten reichten meist völlig aus, eine Prise Salz drüber, und das leckerste Essen der Welt konnte seinen Lauf nehmen, das durch das Verbotene daran noch leckerer wurde.

Bei der zweiten Methode schnitten wir uns ein paar Haselruten zurecht und befestigten am oberen Ende eine Angelschnur, die wir samt den dazugehörigen Haken, Bleigewichten und Schwimmern meist den Vorräten unserer Väter entliehen hatten, öfters auch am Siegufer finden konnten, in seltenen Fällen auch schon mal in der Drogerie Seidel für ein paar Groschen nachkaufen mussten, wobei die Schwimmer eigentlich immer selbst gebastelt wurden aus Flaschenkorken und Stöckchen. Mit diesen Einfachangeln zogen wir entweder in abgelegene Siegregionen, wie zum Beispiel am Otterstein, oder an versteckte Altarme wie dem Maueler Teich oder dem Krummauel. Vorher mussten wir natürlich noch nach Würmern graben. Aber davon gab’s überall genug, vor allem in den Komposthaufen der Gemüsegärten. Am Maueler Teich angekommen, suchten wir uns ein verstecktes Plätzchen am hinteren Ufer unter überhängenden Baumästen, stellen die Schwimmer auf die gewünschte Höhe ein, befestigten die Würmer an den Haken und warfen unsere Angeln aus. Die Hauptschwierigkeit war dabei, die Schnüre nicht in die Baumäste zu schmeißen und sich nicht mit den Angeln der anderen zu verheddern. Wenn das passierte, war man nämlich meist für Stunden damit beschäftigt, alles wieder zu entdröseln und konnte nur zusehen, wie die Kameraden einen Fisch nach dem anderen rauszogen.

Hatten wir alle Angeln und Schwimmer mal richtig platziert, hieß es warten und ruhig sein, was uns nicht immer leichtfiel. Dann aber trat in zwei bis drei Stunden auch meist ein Erfolg ein mit einem der häufigsten Weißfische: einem Rotauge, einer Rotfeder, einem Döbel, einer Barbe, einem Barsch, einer Karausche, ganz selten auch mal einer Forelle oder gar einem Aal. Letztere konnte man im Sommer, wenn der Siegwasserfall trocken gefallen war und nur noch in kleinen Felsbecken Wasser enthielt, dort auch oft mit der Hand fangen, was immer eine ziemlich glitschige Angelegenheit war. Auch die Aale zu töten war gar nicht so einfach, da sie, wie wir wussten, zwei Herzen hatten, die man beide durchstechen musste. Und selbst dann sprangen sie einem noch beim Braten aus der Pfanne. Gegessen haben wir unsere Fischbeute natürlich alle selber, wie oben geschildert, da die Fischwilderei sehr stark kontrolliert und auch bestraft wurde und die Eltern deshalb nichts damit zu tun haben wollten, obwohl alle wussten, dass die Jungs zwischen acht und achtzehn Jahren mehr oder weniger alle im Sommer damit beschäftigt waren.

 


Falkenweg 3